Die Ampelregierung in Berlin hat kurz vor der parlamentarischen Sommerpause die Novelle des Klimaschutzgesetzes erlassen. Wichtigste Änderung: Die Bundesregierung übernimmt die Gesamtverantwortung für das Erreichen der Ziele; eine jährliche Gesamtbilanz ersetzt die bisherigen Sektorziele. „Das klingt erstmal gut, birgt aber erhebliche Risiken für Wirtschaft und Verbraucher“, sagt Robert Mülleneisen, Sprecher der Initiative #ofenzukunft.
Die bisher übliche Sektortrennung in Industrie, Verkehr, Wohnen und andere verpflichtete jedes einzelne Fachressort der Bundesregierung, ihre gesetzten Ziele zu erreichen. Erfasst werden die Daten zur THG-Minderung auch künftig getrennt. Aber erst eine Ebene höher wird zusammengerechnet. Ziele dieser Entscheidung sind es, parteipolitischen Streit durch Koalitionskonsens zu ersetzen und den Weg zur Klimaneutralität „sozial gerechter und wirtschaftlich vertretbar zu gestalten“.
Mehr Spielraum für die Regierung
Doch was bedeutet das im Klartext? „Die Zügel werden künftig zuerst dort angezogen, wo am wenigsten Widerstand zu erwarten ist. Oder wo mit möglichst wenig Aufwand seitens der Regierung möglichst viel Treibhausgasminderung zu erreichen ist“, klärt Dr. Johannes Gerstner, politischer Berater der Initiative #ofenzukunft auf. Denn die Luftqualität in Deutschland habe sich in den letzten Jahren dank Abgasreinigung in Industrie und Kraftwerken oder Katalysatoren in immer mehr Fahrzeugen bereits deutlich verbessert. Das bedeute im Umkehrschluss, dass künftig immer mehr und immer kleinere Schritte nötig seien, um weitere Verbesserungen zu erreichen.
Weg des geringsten Widerstands
Bezogen auf das Heizen mit Holz geht man bei der Initiative #ofenzukunft davon aus, dass künftig zuerst jene Anlagen mit Abgasreinigungssystemen ausgerüstet werden müssen, die ganzjährig mit Holz befeuert werden. Bei den über 10 Mio. Haushalten, die ihren Kaminofen nur ab und zu in der Übergangszeit nutzen, dürfte der Widerstand zur technischen Aufrüstung bestehender Anlagen erheblich sein, erwartet Robert Mülleneisen. Auch sei die zu erreichende Minderung bei den Emissionen gerade bei dieser Nutzergruppe eher gering und stehe in keinem Verhältnis zum Aufwand und zu dem zu erwartenden Ärger mit bis zu 20 Mio. Verbrauchern, die ja auch Wähler seien.
Weitere Anstrengungen nötig
Die Bundesregierung feiert, dass bereits viele Maßnahmen des aktuellen Klimaschutzprogramms bereits umgesetzt seien, so etwa das Deutschland-Ticket, die CO2-abhängige LKW-Maut, auch die Verfahrensbeschleunigungen und mehr Flächen für den Ausbau Erneuerbarer Energien sowie die Förderungen für energetisches Bauen und Sanieren. 2023 gingen die Treibhausgase um mehr als zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Das ist der höchste Rückgang seit mehr als 30 Jahren. „Gleichwohl sind in den kommenden Jahren weitere Anstrengungen beim Klimaschutz erforderlich,“ heißt es aus dem Habeck-Ministerium.
Prognosen statt Bilanzen
Ein weiterer Baustein der Klimaschutzgesetz-Novelle ist es, dass künftig mit in die Zukunft gerichteten Prognosen statt mit rückwärts blickenden Bilanzen gearbeitet wird. Dafür erstellt das Umweltbundesamt jährlich sogenannte Projektionsberichte. Der aktuelle sagt, dass das Klimaschutzziel für 2030 erreichbar erscheint: Erwartet wird ein Rückgang der nationalen THG-Emissionen um 64 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990. Das Klimaschutzgesetz verpflichtet zu einer Einsparung von 65 Prozent bis 2030.
Initiative hält Prognosen für bedenklich
Der Umstieg von Bilanzen auf Prognosen ist aus Sicht der Initiative ofenzukunft höchst bedenklich, „weil damit der Willkür die Tür noch weiter geöffnet wird“, sagt Sprecher Robert Mülleneisen. „Die Prognosen des UBA waren nach unserer Wahrnehmung in aller Regel einseitig bis tendenziös. Es kam vor, dass eine Prognose bereits bei ihrer Veröffentlichung durch die jüngsten Daten widerlegt war.“ Für die Initiative sei zudem nicht erkennbar, dass das UBA eigene Prognosen im Nachhinein überprüft und ggf. eine Richtigstellung oder wenigstens eine Erklärung dazu veröffentlicht.
Expertenrat bewertet Prognosen
Im nächsten Jahrzehnt, von 2030 bis zum Jahr 2040, sollen sich die Treibhausgasemissionen in Deutschland um 88 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 vermindern. Jahr für Jahr sollen es immer zwischen zwei und drei Prozent weniger werden. Ob die Zielmarken erreicht werden können, soll der von der Bundesregierung schon 2020 eingesetzte Expertenrat für Klimafragen (www.expertenrat-klima.de) künftig jährlich mit Hilfe der Projektionsberichte aus dem Umweltbundesamt überprüfen. Liegen einzelne Sektoren hinter den Erwartungen zurück, sind die zuständigen Ministerien aufgefordert, binnen drei Monaten Vorschläge zur Nachsteuerung zu erarbeiten. Und alle zwei Jahre will die Regierung ihr Klimaschutzprogramm nachschärfen, wenn die gesteckten Ziele – trotz eventuell zwischenzeitlich beschlossener Maßnahmen – auf Sicht nicht erreicht werden können.