Ein Gespräch mit Andreas Eisold vom Umweltbundesamt über Feinstaub, Prüfverfahren und den langen Weg zu verlässlichen Emissionswerten.
Holzöfen sorgen nicht nur für Wärme, sondern auch für Diskussionen: Wie hoch sind ihre Emissionen wirklich? Sind die geltenden Grenzwerte sinnvoll? Und wie kann man den tatsächlichen Einfluss auf die Luftqualität überhaupt messen? Andreas Eisold vom Umweltbundesamt erklärt im Gespräch mit Dr. Johannes R. Gerstner, was derzeit machbar ist – und wo Politik, Forschung und Branche noch auf Sicht fahren.
Herr Eisold, viele Grenzwerte, über die aktuell diskutiert wird, basieren auf Prüfstandsmessungen. Wie aussagekräftig sind diese Werte aus Ihrer Sicht?
Die Prüfstandwerte haben auf jeden Fall ihre Berechtigung, denn sie schaffen eine Vergleichbarkeit bei der Zulassung neuer Geräte. Sie zeigen, was technisch möglich ist. Aber die große Herausforderung ist: Diese Bedingungen sind standardisiert – die Realität nicht. In der Praxis wird unter ganz anderen Voraussetzungen geheizt. Der Ofen steht an einem bestimmten Schornstein, der Brennstoff hat oft andere Eigenschaften als im Labor, und das Verhalten der Menschen spielt eine entscheidende Rolle. Diese Abweichung ist ein bekanntes Problem – und sie beeinflusst die tatsächlichen Emissionen erheblich. Praxisnähere Prüfstandmessungen könnten also helfen, fundiertere Kaufentscheidungen treffen zu können.
Wäre es dann nicht sinnvoll, den Fokus stärker auf reale Nutzung und echte Emissionen zu legen?
Absolut. Es gibt bereits Forschungsprojekte, die genau das versuchen: Wir sammeln vorhandene Messdaten aus dem echten Betrieb – also nicht unter Laborbedingungen – und führen sie in Datenbanken zusammen. Ziel ist es, daraus sogenannte mittlere Emissionswerte abzuleiten, die möglichst gut die Realität abbilden. Aber wir sind da noch nicht weit genug, um für alle Technologien und Anwendungsbereiche belastbare, differenzierte Aussagen zu machen.
Also fehlen Ihnen die realitätsnahen Daten – warum ist es so schwer, die zu erheben?
Zum einen gibt es schlicht nicht genug Messungen. Zum anderen ist die Situation in der Praxis extrem vielfältig: Der Zustand des Brennstoffs, die Bauart des Ofens, die Art des Schornsteins, das Bedienverhalten – all das hat großen Einfluss. Viele Kombinationen sind individuell. Und dann gibt es natürlich auch praktische Hürden: Eine großflächige Vor-Ort-Messung wäre sehr aufwendig und teuer. Derzeit ist das kaum umsetzbar.
Könnten regelmäßige Vor-Ort-Messungen durch Schornsteinfeger eine Lösung sein?
Theoretisch ja, praktisch ist es schwierig. Schon heute gibt es punktuelle Messungen im Rahmen von Forschungsprojekten. Aber wenn man flächendeckend bei Millionen von Anlagen messen möchte, stoßen wir schnell an Grenzen – personell, technisch und finanziell. Außerdem stellt sich die Frage, ob diese Messungen wirklich vergleichbare Ergebnisse liefern würden. Ein Ofen, der nur gelegentlich im Winter betrieben wird, ist nicht dasselbe wie ein Kessel, der dauerhaft heizt.
Wäre es nicht trotzdem sinnvoll, mehr Realmessungen zu fördern – gerade auch, um Vertrauen zu schaffen?
Ja, das wäre gut. Aber es muss klar kommuniziert werden, wozu solche Messungen notwendig sind – und wozu nicht. Es geht nicht darum Prüfstandwerte im Praxisbetrieb zu überprüfen. Die realen Emissionen liegen naturgemäß oft höher. Für unsere Berichterstattung und die Quellanalyse von Luftschadstoffbelastungen brauchen wir aber genau diese, nicht zuletzt um Maßnahmenpotenziale realistisch einschätzen zu können. Ich wünsche mir einen offenen Umgang mit diesen Unterschieden.
Ein oft diskutierter technischer Ansatz sind sogenannte Staubabscheider. Was halten Sie davon?
Staubabscheider können die Emissionen deutlich reduzieren – in manchen Fällen sogar wirksamer als ein kompletter Austausch des Ofens. Studien zeigen, dass sie insbesondere bei der Reduktion der Partikelanzahl sehr effektiv sind. Wenn sie richtig installiert und betrieben werden, sind sie ein sehr wirkungsvolles Instrument zur Luftreinhaltung. Leider werden sie bislang kaum gezielt gefördert – das wäre aber ein sinnvoller Hebel, um die Emissionen im Anlagenbestand zu senken.
Gibt es denn eine klare Empfehlung, was mehr bringt – Austausch oder Nachrüstung?
Das hängt vom Einzelfall ab. Wichtig ist: Am Ende zählt das Ergebnis. Wenn eine Nachrüstung mit Staubabscheider technisch machbar ist und zu vergleichbar niedrigen Emissionen führt wie ein neuer Ofen, ist das aus Umweltperspektive genauso gut. Entscheidend ist, dass am Ende weniger Schadstoffe in die Luft gelangen – nicht, auf welchem Weg das erreicht wurde.
Kommen wir zum Thema Kommunikation. In der Öffentlichkeit ist oft von „Feinstaubtoten“ die Rede – ein Begriff, der viele irritiert. Wie geht man beim Umweltbundesamt damit um?
Diese Begriffe werden in den Medien häufig vereinfacht dargestellt und interpretiert. Niemand stirbt direkt und unmittelbar an den Folgen von zu hohen Feinstaubbelastungen. Was die Forschung zeigen kann, sind statistische Zusammenhänge: Menschen, die dauerhaft hoher Luftschadstoffbelastung ausgesetzt sind, haben im Schnitt eine kürzere Lebenserwartung oder ein höheres Risiko für bestimmte Krankheiten. Deshalb verwenden wir vermehrt den Indikator „verlorene gesunde Lebensjahre“, um Missverständnisse zu vermeiden. Die Methode und der Indikator selbst sind in der Kommunikation auch manchmal eine Herausforderung, aber das Verständnis für solche Indikatoren wird zunehmend besser.
Wäre es nicht hilfreich, differenzierter über die gesundheitlichen Folgen zu sprechen – jenseits von Schlagzeilen?
Ja, unbedingt. Die Debatte wird oft stark vereinfacht – dabei sind Luftschadstoffe wie Feinstaub oder Kohlenmonoxid Teil komplexer Zusammenhänge. Es geht nicht um Schuldzuweisungen an einzelne Heizgeräte, sondern um realistische Bewertungen. Deshalb untersuchen wir gesundheitliche Belastungen unter Berücksichtigung aller Quellen – inklusive Verkehr, Industrie und auch Landwirtschaft. Und wir müssen deutlich machen: Die Modelle, mit denen wir arbeiten, beruhen auf vielen Annahmen und haben Unsicherheiten.
Wie groß ist denn eigentlich der Einfluss einzelner Maßnahmen auf die Emissionssituation insgesamt – zum Beispiel der Austausch alter Öfen?
Das ist schwer, genau zu sagen – aber wir gehen davon aus, dass der Austausch alter Geräte durch modernere Modelle mit besserer Verbrennungstechnologie einen wichtigen Beitrag leistet. Seit Anfang 2025 sind noch einmal fast zwei Millionen Öfen potenziell austauschpflichtig. Ob sich das direkt in den gemessenen Luftwerten niederschlägt, ist eine andere Frage – da spielen viele Faktoren eine Rolle, wie beispielsweise Temperaturen und Witterung insbesondere im Winterhalbjahr. Europaweit zeigt sich aber ein signifikanter Anteil der Biomasseverbrennung an den gemessenen Belastungen. Weil die Emissionen aus anderen Quellen großenteils abnehmen, nimmt der relative Anteil der Holzverbrennung sogar zu.
Und wie sieht es mit dem tatsächlichen Brennstoffeinsatz aus – gibt es da gesicherte Zahlen?
Auch das ist schwierig. Es gibt offizielle Schätzungen zum Brennstoffeinsatz – aber die Nutzung insbesondere von Scheitholz ist extrem heterogen. Manche Menschen heizen täglich, andere nur gelegentlich. Und viele kaufen ihr Holz direkt aus dem Wald und sägen es selbst. Das alles taucht nicht zuverlässig in Statistiken auf. Wir versuchen, solche Effekte über Abschätzungen und Korrekturfaktoren zu berücksichtigen. Aber perfekt ist das nicht.
Zum Schluss: Was wäre aus Ihrer Sicht der pragmatischste Weg zu besserer Luft und mehr Glaubwürdigkeit in der Debatte?
Wir brauchen drei Dinge: Erstens bessere Daten über die reale Nutzung und die tatsächlichen Emissionen. Zweitens klare, nachvollziehbare und möglichst praxisnahe Prüfverfahren, die im Idealfall europaweit ein technisch sauberes, aber machbares Anforderungsniveau garantieren. Und drittens eine offene Kommunikation – ohne Übertreibung, aber auch ohne Verharmlosung. Denn Luftreinhaltung ist wichtig – und sie gelingt nur, wenn wir technische Lösungen, politische Weichenstellungen und gesellschaftliches Verhalten zusammendenken.
