Aufgrund neuer Rekorde bei Erneuerbaren und einem historischen Tief bei der Kohleverstromung gingen die Treibhausgasemissionen in Deutschland 2024 deutlich zurück. Damit hält die Bundesrepublik das nationale Jahresklimaziel ein, verfehlt zugleich aber die EU-Klimavorgaben aufgrund fehlender Fortschritte in den Bereichen Gebäude und Verkehr.
Deutschlands Treibhausgasemissionen gingen in 2024 um 18 Millionen Tonnen bzw. drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf insgesamt 656 Millionen Tonnen CO₂ zurück. Damit fielen die Emissionen zum dritten Mal in Folge und erreichten einen historischen Tiefstand, auch wenn sich der Rückgang im Vergleich zum letzten Jahr stark verlangsamte. Dies zeigen vorläufige Berechnungen von Agora Energiewende, die der Thinktank in seiner Bilanz des Energiejahres 2024 vorgelegt hat. Somit wird das Jahresziel nach dem neuen Klimaschutzgesetz um 36 Millionen Tonnen CO₂ übererfüllt.
Ziele übererfüllt und verfehlt
Aufgrund mangelnder Minderung bei Gebäuden und Verkehr verfehlte die Bundesrepublik jedoch die europäisch vereinbarten Klimaziele im Rahmen der sogenannten Effort Sharing Regulation (ESR) um schätzungsweise 12 Millionen Tonnen CO₂. Im Vergleich zum Referenzjahr 1990 gingen die deutschen Treibhausgasemissionen 2024 insgesamt um 48 Prozent zurück.
Energieerzeugung sauberer
Hauptursache des Rückgangs waren positive Effekte in der Energiewirtschaft, die mehr als 80 Prozent der Emissionsreduktionen ausmachten: So wurden 2024 Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 6,1 Gigawatt stillgelegt, was 16 Prozent der installierten Kohle-Kapazität entsprach. Der Wegfall wurde durch eine Rekorderzeugung bei den Erneuerbaren Energien in Höhe von 55 Prozent des Bruttostromverbrauchs und gestiegene Importe ausgeglichen, welche zu 49 Prozent aus Erneuerbaren stammten. Weitere Gründe für den Emissionsrückgang waren milde Witterungsbedingungen und eine schwächere Wirtschaftsleistung.
Mehr Emissionen in der Industrie
Anders als im Stromsektor zeigten sich in den Nachfragesektoren Industrie, Gebäude und Verkehr keine strukturellen Fortschritte. Im Gegenteil, die Investitionen in klimaneutrale Technologien wie Wärmepumpen oder E-Pkw waren gegenüber dem Vorjahr sogar rückläufig. In der Industrie stiegen die Emissionen trotz der wirtschaftlichen Stagnation im vergangenen Jahr um 3 Millionen Tonnen CO₂ leicht an, insbesondere wegen eines gesteigerten Verbrauchs fossiler Brennstoffe in der Schwerindustrie.
Gebäude nur wegen Wetter rückläufig
Die geringfügigen Emissionsreduktionen im Gebäudebereich von 2 Millionen Tonnen CO₂ gingen im Wesentlichen auf den verringerten Heizenergiebedarf wegen milder Witterung zurück. Wäre die Witterung im Vergleich zu 2023 gleichgeblieben, wären die Emissionen sogar gestiegen. Im Verkehrssektor wurde ebenfalls nur eine geringfügige Reduktion von 2 Millionen Tonnen CO₂ gegenüber dem Vorjahr erreicht – vor allem durch geringeren Lkw-Verkehr infolge der wirtschaftlichen Schwäche. Zugleich stieg aber der Pkw-Verkehr an. Insgesamt verfehlt der Verkehrssektor mit Emissionen in Höhe von 144 Millionen Tonnen CO₂ das im Klimaschutzgesetz definierte Jahresziel deutlich um 19 Millionen Tonnen CO₂. Durch die Zielverfehlung bei Gebäuden und Verkehr muss die Bundesregierung in absehbarer Zeit Emissionsrechte aus anderen EU-Mitgliedstaaten zukaufen, ansonsten drohen laut Agora Energiewende Strafzahlungen – ein milliardenschweres Haushaltsrisiko.
Verunsicherung ist Hauptgrund
„Ein zentraler Grund für den Mangel an strukturellem Klimaschutz in den Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr ist die Verunsicherung bei Haushalten und Unternehmen. Diese führte zu einer allgemeinen Investitionszurückhaltung – trotz 2024 insgesamt rückläufiger Stromkosten”, sagte Simon Müller, Direktor Deutschland der Agora Energiewende. So gingen der Absatz von Wärmepumpen und die Neuzulassungen von E-Pkw im Vergleich zum Vorjahr um 44 bzw. 26 Prozent zurück. „In der nächsten Legislaturperiode gilt es, die Transformationsdynamik aus dem Stromsektor auch in die Nachfragesektoren zu übertragen. Zentral hierfür sind politische Maßnahmen, die die soziale Ausgewogenheit sichern und es Haushalten und Unternehmen ermöglichen, den Umstieg zur Klimaneutralität zu schaffen. Denn die kommende Legislaturperiode ist entscheidend, um die für die nationalen und europäischen Klimaziele notwendigen Investitionen zu tätigen.“