Welche Rolle spielt Biomasse bei der Luftreinhaltung in Europa? Diesem und weiteren Aspekten wurde Mitte Oktober 2024 bei der Evaluation der Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe, kurz NEC-Richtlinie, in Brüssel nachgegangen. Bei der Richtlinie handelt es sich um eine zentrale Regulierung zum Thema Luft, die Millionen von Menschen in Europa betreffen wird. Und ebenso natürlich die Hersteller und Verarbeiter etwa von Heizgeräten oder Abgasanlagen.
Die Europäische Kommission, sozusagen die „europäische Regierung“, hatte etwa 50 Expertinnen und Experten zum Thema Luftreinhaltung eingeladen, um vor Ort über die aktuelle und künftige Luftgesetzgebung in Europa zu diskutieren. Mit eingeladen war Dr. Johannes R. Gerstner, der hier aus erster Hand erfuhr, welche Herausforderungen auch die Biomasse in den kommenden Jahren erwarten könnten. „Kurz zusammengefasst: Es wird nicht leicht für uns“, so die Einschätzung des politischen Beraters der Initiative #ofenzukunft nach den Gesprächen.
Überprüfung der Richtlinie
Die NEC-Richtlinie ist eine der drei Säulen der EU-Politik für saubere Luft und ergänzt die Luftqualitätsrichtlinien (2008/50/EG und Richtlinie 2004/107/EG) sowie die Emissionsnormen für wichtige Luftverschmutzungsquellen. Es setzt außerdem in Teilen das Göteborg-Protokoll zur Verringerung der grenzüberschreitenden Luftverschmutzung um, das alle EU-Mitgliedstaaten und die EU selbst unterzeichnet haben. Bei der Evaluation der NEC-Richtlinie wird geprüft, ob sie ihre Ziele erreicht: den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt durch die Reduzierung nationaler Emissionen der fünf Hauptluftschadstoffe (PM2,5, NOx, NMVOCs, NH3 und SO2).
Düstere Bilder gemalt
Viele Umwelt- und Gesundheitsverbände waren zu der offiziellen EU-Veranstaltung erschienen, auch die Wissenschaft war breit vertreten. Entsprechend düster war das Bild, das von der europäischen Luft gezeichnet wurde. Gerstner: „Viele Projektionen basieren auf Schätzmodellen, deren Defizite wir schon in der Vergangenheit angemerkt hatten.“ Auch die Praxis, bei Unsicherheiten eher vom Worst Case auszugehen als von optimistischeren Modellen, verstellt laut Gerstner in der Diskussion oft den Blick auf verfügbare Lösungen.
Vorbehalte gegen das Heizen mit Holz
Diese Lösungen, so ist sich Gerstner sicher, gibt es bereits. Vor allem die Biomasse kann als nachhaltige und erneuerbare Energiequelle ihren Teil zu Lösungen beitragen: „Aktuelle Kamin- und Kachelöfen sind keine Dreckschleudern, auch für ältere Geräte gibt es Lösungen zum Nachrüsten, etwa Staubabscheider oder Katalysatoren.“ Nur werden diese, so Gerstner, kaum in den bisherigen Überlegungen berücksichtigt und gewürdigt. Es liege, so seine Einschätzung, noch ein langer Weg vor der Branche bei der aktiven Lobbyarbeit in Brüssel.
Branche muss in Brüssel mehr Einfluss nehmen
Aber er sieht auch Verhandlungspotenzial: „In persönlichen Gesprächen mit den Umwelt- und Gesundheitsverbänden zeigt sich auch, dass unsere Vorstellungen oft gar nicht so weit auseinanderliegen – wir müssen diese Gespräche pflegen und selbstbewusst unsere Lösungsorientierung zeigen.“ Damit seien Teile der Branche bereits jetzt erfolgreich in ihrer politischen Arbeit in Deutschland, er wünsche sich, dass die Branche dies auch auf die für Deutschland mindestens ebenso wichtige europäische Lobbyarbeit ausdehne. Gerstner: „Wir müssen in Europa deutlich präsenter werden.“
Biomasse ist Teil der Lösung
Denn der Einsatz lohnt sich, da ist sich Gerstner sicher: „Ohne realistische Ansätze für die kommenden Jahre, und dazu gehört auch die rationale und sinnvolle Nutzung von Biomasse etwa in Hybridsystemen, werden wir den Turnaround für das Klima nicht schaffen. Denn Holz ist und bleibt noch auf Jahre eine der CO2-freundlichsten Möglichkeiten, seinen Beitrag zur Wärmewende zu leisten.“
HINTERGRUND NEC
Die NEC-Richtlinie legt nationale Reduktionsziele für die fünf Luftschadstoffe im Zeitraum 2020 bis 2029 fest. Ab 2030 sollen strengere Reduktionsvorgaben gelten. Sie umfasst auch die Berichterstattung über weitere Schadstoffe, ohne deren Reduzierung zu fordern.
Eine überarbeitete Version der Richtlinie muss bis Ende 2025 beschlossen werden und wird auf den Ergebnissen der gerade erfolgten Evaluation basieren. Ein zentrales Ziel ist die Bewertung, ob die Richtlinie angesichts neuer Entwicklungen – wie wissenschaftlicher und technischer Fortschritte sowie anderer EU-Klima- und Energiepolitiken – weiterhin relevant ist. Die Evaluation soll außerdem mögliche Hindernisse bei der Umsetzung aufzeigen und Potenziale zur Vereinfachung und Kostensenkung untersuchen.