„Abscheider senken deutlich die Emissionen“

Volker Schlickum spricht mit der Initiative #ofenzukunft über die Situation der Holzfeuerung in der Hauptstadt, Berlins Maßnahmen gegen den Feinstaub und Vorteile durch energetische Unabhängigkeit.

Die Initiative #ofenzukunft möchte für Wissenstransfer und Meinungsbildung im Bereich Biomasse sorgen. Dazu gehört auch eine Interviewreihe, die sie gemeinsam mit der Zeitschrift Kachelofen & Kamin veröffentlicht. Befragt werden Expertinnen und Experten aus Politik, Forschung und der Industrie. In der aktuellen Ausgabe stellt sich Volker Schlickum von der Berliner Senatsverwaltung den Fragen von Dr. Johannes R. Gerstner.

Dr. Johannes R. Gerstner: Lieber Herr Schlickum, passt der Kachelofen zum Öko-Image der Hauptstadt?

Volker Schlickum: Der Kachelofen ist ein Grundofen aus der Gründerzeit und hat Bestandsschutz. Sie meinen wahrscheinlich den beliebten Kaminofen? Einerseits hat Feuer eine Jahrtausendealte Tradition; früher saß man um das Lagerfeuer, heutzutage vorm Kamin. Andererseits erzeugt ein Feuer CO2, Staub, Stickoxide, und andere Schadstoffe. Vor hunderten von Jahren war dies auf dem Lande aufgrund der viel geringeren Bevölkerungsdichte kein Problem, in den Städten schon.

Dr. Johannes R. Gerstner: Hat Berlin ein Feinstaubproblem durch Öfen?

Volker Schlickum: Öfen erzeugen eben auch gesundheitsgefährdenden Feinstaub, sind aber nur ein Emittent von vielen wie Verkehr, Kraftwerke, Baustellen und haben aber einen Anteil an der Luftbelastung in Berlin.

Dr. Johannes R. Gerstner: Sie setzen sich für eine größere Verbreitung von Staubabscheidern ein. Warum?

Volker Schlickum: Durch Staubabscheider kann unabhängig vom Alter des Ofens dessen Emission deutlich gesenkt werden, wir sprechen hier von 60 bis 90 Prozent weniger gesundheitsgefährdenden Feinstaub, je nach Abgaszusammensetzung – auch Rohemission genannt –, der jeweiligen Anlage. Ältere Anlagen könnten dadurch um den verpflichtenden aufwendigen Austausch gegen Neuanlagen herumkommen.

Dr. Johannes R. Gerstner: Berlin hat sowohl städtische als auch eher ländliche Wohngebiete. Ein ideales Pflaster für Pilotprojekte?

Volker Schlickum: In der Innenstadt wird der Kaminofen eher für gemütliche Stunden am Abend genutzt und der Kachelofen ist nur für Notfälle da. In den Außenbezirken mit ihrem eher ländlichen Charakter sind der Kaminofen und der Kachelofen ein Heizgerät. Dortige Häuser haben meist einen Garten, in dem das Holz zum Trocknen zwischengelagert werden kann. Der Kaminofen wird da insbesondere in der Übergangszeit vor und nach dem Winter statt Gas oder Öl zum Heizen verwendet. Diese Dissonanz zwischen städtisch und ländlich ist gut geeignet, um zu testen, wie sich lokale Emissionsminderungen vor Ort und in der Fläche auswirken. Man kann dadurch lernen, was man erreichen kann.

Dr. Johannes R. Gerstner: Kann ein Bundesland wie Berlin im schlimmsten Fall auf den Holzofen im Wärmemix verzichten?

Volker Schlickum: Die Energieprobleme durch den russisch-ukrainischen Krieg haben gezeigt, dass man immer einen Plan B haben sollte. Auch wenn der Energienotstand an Erdgas und Öl abgewendet werden konnte, hat sich doch gezeigt, dass man eine zweite Wärmequelle haben sollte, also Holz oder Kohle statt Erdgas oder ÖL.

Dr. Johannes R. Gerstner: Sie haben den kostenlosen digitalen Ofenführerschein für die Berliner eingeführt, wie läuft das Projekt?

Diejenigen Mitbürger, die vom Berliner Ofenführerschein erfahren haben, nehmen ihn gut an. Die Information durch ihre Schornsteinfeger/innen ist leider etwas schleppend, weil die Schornsteinfeger/innen nicht sofort in allen Haushalten mit Öfen sein können, sondern die Haushalte turnusmäßig abgehen.

Danke für das Gespräch.

Volker Schlickum ist Ingenieur für Verfahrenstechnik und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Schadstoffminderung von Abgasen. Schon im Studium hatte er das Glück, das Praxissemester mit Abgasminderung in Großkraftwerken zu verbringen. So hat er im Laufe seines Berufslebens die Abgase von Berliner Stadtbussen, später allgemein Berliner Straßenfahrzeugen, Fahrgastschiffen und Baumaschinen minimiert. Aktuell beschäftigt sich der Referent für Luftreinhalteplanung in der Abteilung Umweltpolitik des Berliner Senats für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt insbesondere mit Kaminöfen.

Dr. rer. pol. Johannes R. Gerstner ist Experte für Energiepolitik und berät einige Branchenverbände zu Fragen der strategischen Verbandsführung, politischer Interessensführung und strategischer Kommunikation. Der gelernte und diplomierte Journalist hat Zertifikate in den Bereichen Public Affairs und Public Relations. Zu seinen Mandanten gehören unter anderen die Europäische Feuerstätten Arbeitsgemeinschaft, der Fachverband Schornsteintechnik, der Güteschutz Schornsteinsanierung und Abgasanlagen, der Zentralverband Haustechnik, der Verband Kunststoffabgasanlagen sowie die Clean Exhaust Association. Er berät auch die Initiative #ofenzukunft.

4.8 4 Stimmen
Artikel Bewertung
Abonnieren
Benachrichtigung von
0 Kommentare
Inline-Rückmeldungen
Alle Kommentare anzeigen
Suche

Aktuelles
Die neuesten Beiträge

Newsletter

Anmeldung Newsletter

Kommen Sie mit uns ins Gespräch

Weitere Beiträge

  • Zahlen
  • Wirtschaft
  • Innovationen
  • Positionen
  • Umwelt

Schadstoffbelastung der Luft war in 2023 so gering wie nie zuvor

14. Mai 2024

Die Schadstoffbelastung der Luft in Deutschland hat sich in den zurückliegenden 20 Jahren in etwa halbiert: Die Werte für Fein-staub und Stickstoffdioxid waren im vergangenen Jahr so niedrig wie noch nie zuvor.

Wie wichtig ist Holz für die Wärmeversorgung in Deutschland?

6. Juni 2023

In den Diskussionen um die Wärmeversorgung in deutschen Haushalten spielt vor allem die Frage der Versorgungssicherheit mit Erdgas eine große Rolle. Und das nicht zu Unrecht, denn Erdgas als Energieträger sicherte 2018 mit 255 TWh 39,6 Prozent des Energieverbrauchs deutscher Haushalte. Gerade beim Thema Wärme, die mit 537,7 TWh den Löwenanteil privaten Energieverbrauchs ausmacht, ist Erdgas der wichtigste Energieträger.

Steht in Deutschland ausreichend Holz als Brennstoff zur Verfügung?

5. Juni 2023

Deutschland kann bei einer nachhaltigen Holz- und Waldwirtschaft durchaus global als Vorbild gesehen werden. Holz ist – sofern es aus einer nachhaltigen Bewirtschaftung stammt – als klimaneutral anzusehen. Grundlage hierfür ist jedoch, dass jeder Einschlag, jede Entnahme, zwingend mit einer Aufforstung verbunden ist. Bereits beim Blick zu europäischen Nachbarn sieht dies aber anders aus. Rumänien leidet stark unter teilweise illegalen Kahlschlägen ganzer Landstriche.

0
Ich würde mich über Ihre Meinung freuen, bitte kommentieren Sie.x
Nach oben scrollen