Politiker werden immer wieder von selbstberufene Klimaschützer aufgefordert, dass sie dem Holz die CO2-Neutralität aberkennen und das Heizen mit Holz verbieten. Ihre Argumentation hält jedoch nur selten einer wissenschaftlichen Überprüfung stand, wie kaum einer besser weiß als Roland Irslinger. Der 74-Jährige war von 1982 bis 2014 Professor für Waldökologie an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar. Er forschte im Regenwald Brasiliens und war beratend tätig beim Aufbau des WWF-Goldstandards zur Zertifizierung von Aufforstungsprojekten für den Klimaschutz.
Deutschlands Hausbesitzer sind in diesen Tagen maximal verunsichert: Die Politik fordert die Investition in Energiesparmaßnahmen und eine neue Strom-Heizung. Doch die Preise für Handwerker und Technik sind hoch, Kredite teuer, Strom zum Heizen für viele unbezahlbar. Das Heizen mit Holz wäre eine gute Brücke hin zur Wärmewende. Aber vermeintliche Klima- und Verbraucherschützer rühren kräftig die Trommel gegen das Heizen mit Holz. Zu Unrecht, sagt der Tübinger Prof. a. D. und Experte für Waldökologie, Roland Irslinger. Seine Mission ist es, im Umgang mit Wald und Holz die Fakten sprechen zu lassen.
Deutschlands Wälder wachsen weiter
Der Aussage „Abgeholzte Bäume binden kein CO2 mehr und können somit die Atmosphäre nicht entlasten“ setzt Irslinger entgegen: „Das ist falsch, denn dieses Argument ignoriert die Tatsache, dass nachhaltige Waldwirtschaft den im Wald gebundenen Kohlenstoff nicht mindert, auch nicht kurzfristig, da die Summe aus Nutzung und Störungen unter dem Niveau des Zuwachses liegt“, sagte Irslinger jüngst im Gespräch mit top agrar online. Seit Jahrzehnten lägen Holzernte und natürliches Absterben von Bäumen bei nur etwa drei Vierteln des Zuwachses. Das restliche Viertel ging in den Holzvorratsaufbau. Deutschlands waldgebundene Holzvorräte liegen daher laut Irslinger an der Spitze der EU. Auch in Europa insgesamt seien die Holzvorräte in den letzten Jahrzehnten trotz Nutzung der Wälder weiter gewachsen.
Brennholz stört CO2-Senke nicht
Würden beispielsweise Buchenwälder durchforstet, sei bereits im darauffolgenden Herbst der durch die Baumernte entnommene Kohlenstoff durch Nachwachsen der Bäume wieder gebunden. Und zwar noch bevor das entnommene Brennholz im Ofen lande, welches zuvor zwei Jahre lang trocknen sollte. Also werde der Kohlenstoffvorrat der Wälder durch die Brennholznutzung nicht geschmälert, der mit dem Brennholz entnommene Kohlenstoff sei bereits wieder im Wald gebunden, noch bevor das Holz verheizt sei.
Jüngere Wälder sind besser fürs Klima
Gern wird kolportiert, ein alter Baum leiste mehr für das Klima als ein junger. „Auch das ist falsch, denn jüngere Wälder sind bessere Klimaschützer, weil ihr Holzvorrat schnell ansteigt und sie dadurch sehr effektiv Kohlenstoff binden“, sagt Irslinger. In einem älteren Wald dagegen schrumpfe die Biomasseproduktion jährlich, denn die zunehmende Konkurrenz sorge für eine wachsende Baumsterblichkeit. So käme es, dass ein Waldbestand am Ende seiner Jugendphase brutto bereits mehr Kohlenstoff aufgenommen hat als nach 100 bis 150 Jahren in den dann lebenden Bäumen noch gespeichert sei.
Sterbende Bäume belasten das Klima
Das Absterben der Bäume bedeute hingegen eine erhebliche Quelle für CO2-Emissionen und belastet das Klima. Die Anreicherung von immer mehr Biomasse in den Wäldern, sei ein Irrweg und nicht nachhaltig. „Aus Gründen des Klimaschutzes ist es weit effektiver, das Absterben alter Bäume durch eine rechtzeitige Holznutzung vorwegzunehmen, das Stammholz stofflich und das Waldrestholz für Heizzwecke zu verwenden“, sagt der Experte.
Waldnutzung dient dem Artenschutz
Den Anwurf, die Holzentnahme schade der Artenvielfalt im Wald, könne man so auch nicht stehenlassen. Irslinger rechnet vor: In Deutschlands Wäldern lägen 250 Mio. m³ Totholz, jedes Jahr verblieben etwa 20 Mio. m³ Waldrestholz aus Naturschutzgründen im Wald. Zudem würden zehn Prozent der Waldfläche Deutschlands bereits jetzt nicht oder nur sehr extensiv genutzt. Die meisten der im Wald vorkommenden Organismen seien jedoch an dessen Bewirtschaftung gebunden.
Holz nur noch zum Bauen nutzen?
Nein, sagt Irslinger. Holz sei ein Koppelprodukt. Bäume würden in unseren Wäldern nicht gefällt, um Brennholz zu gewinnen. Eine nachhaltige Waldbewirtschaftung habe immer zuerst die Produktion hochwertigen Stammholzes für den Möbel- und Hausbau im Fokus. Darin bleibe nicht nur der Kohlenstoff über viele Jahre und Jahrzehnte weiter gebunden; gerade die Nutzung von Holz im Baubereich spare Unmengen an fossilen CO2-Emissionen gegenüber dem Bauen mit Beton, Stahl, Gas oder Aluminium.
Bauen und Heizen sind keine Gegensätze
Für Prof. Irslinger sind Bauen und Heizen mit Holz keine Gegensätze: 30 Mio. m³ Scheitholz würden in Deutschland jährlich energetisch genutzt, 40 Mio. m³ Stammholz werden in den Sägewerken jährlich verarbeitet. Dabei fallen rund sieben Mio. t naturbelassene Reste an. Etwa die Hälfte davon lande in Form von Pellets und Holzbriketts im Ofen. Eine Tonne Pellets ersetze 500 Liter Heizöl, ein Raummeter Brennholz vermeide 0,4 t fossile CO2-Emissionen einschließlich der fossilen Vorkette.
Brückentechnologie Wärme aus Holz
Prof. Irslingers Fazit ist ebenso einfach wie klar: „Deutschland kann sich beim Brennstoff Holz durch nachhaltige Bewirtschaftung seiner Wälder selbst versorgen, bei Pellets sind wir bereits Netto-Exporteur. Mit Holz aus heimischen Wäldern zu heizen, ist praktizierter Klima- und Artenschutz, denn Heizen mit Holz setzt nicht mehr Kohlendioxid frei als es im Wald verrotten zu lassen.“ Und wichtiger noch: Wer mit regional erzeugtem Holz heize, vermeide den weiteren Raubbau an fossilen Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas oder Kohle.
Endlich mal jemand, der die Sache auf den Punkt bringt und Tatsachen sprechen lässt.
Hoffentlich werden die “Märchenstunden” von verschiedenen Seiten irgendwann mal aufhören.